Teil 4 des Buches

Kapitel: Kirchenverständnis

 Der Theologe Herbert Haag sagt: „Kein Amtin der Kirche lässt sich auf Jesus zurückführen. In der Theologie ist man sich einig darüber, dass Jesus keine Kirche gründen wollte. Deshalb kann er auch unmöglich eine bestimmte Struktur dieser Kirche gewollt haben.“

Viele Menschen und Christen sehen die Kirche kritisch oder wenden sich von ihr ab.

Aus vielen Gesprächen mit jungen Menschen begegneten mir zwei Hauptvorwürfe gegenüber der katholischen Kirche:

  • Sie ist rückständig, unzeitgemäß und ewig-gestrig.
  • Sie lebt selbst nicht, was sie predigt und von anderen fordert. Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.

 Es scheint, als seien der Kirche alte und längst überholte Vorschriften, Prinzipien und Dogmen wichtiger als der alles bestimmende und umfassende Maßstab der Liebe. Die Verantwortlichen der Amtskirche müssen dringend den Schlüssel zu den Herzen der Menschen wiederfinden. Was die Menschen heute brauchen, sind gelingende Gemeinschaften und die ganzheitliche Liebe in verantwortlich gelebter Freiheit. Ein Leben kann nur glücken im Zusammenspiel von Innerlichkeit und Weltoffenheit.

Wir sind es, die die wichtige christliche Botschaft von der faszinierenden Liebesgeschichte Gottes und Jesu Christi leben und den Menschen weitergeben müssen.

Katholische Kirche in Deutschland

Im Jahr 2013 lebten nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz 24.170.754 Katholiken in Deutschland (29,9 % derBevölkerung; 2012: 30,3 %). Die Zahl der Katholiken reduzierte sich von 1976 bis 2012 um 32 %. Der Mitgliederschwund ist unübersehbar.

 Kardinal Reinhard Marx rief zum Auftakt der Herbst-Vollversammlung 2014 in Fulda zu einem mutigen Blick nach vorne auf.

Kirche vor Ort

„Kirche vor Ort" - das ist dort, wo Kirche in den Pfarrgemeinden und Seelsorgeeinheiten nahe bei den Menschen ist. Mit Ortskirche sind die Bistümer bzw. Diözesen (27 in Deutschland) gemeint.

Das wichtigste Ziel kirchlichen Handelns muss sein, den Heilsdienst an den Menschen in den Pfarrgemeinden zu erfüllen. Die Bischöfe dürfen in der heute vorhandenen pastoralen Notlage ihre Verantwortung nicht auf Rom abschieben. Dass Ortskirchen mehr Verantwortung erhalten sollen, ist ganz im Sinne von Papst Franziskus. Eine Kommission soll zeitgemäße Veränderungen kirchlicher Strukturen auf den Weg bringen.

Klerus und Laien

TraditionellesPriesterbild

In den ersten 200 Jahren des Christentums existierte kein Priesteramt. Für die ersten Christen gab es nur einen einzigen Hohepriester: Christus (im Hebräerbrief, 60 Jahre nach Jesu Tod geschrieben). Es gab in der Anfangszeit keine festen Ämter. Besondere Dienste waren für speziell berufene und befähigte Männer und Frauen vorgesehen. Bei den ersten Christen war jeder wahrhaft Gläubige Gott geweiht und gehörte zur „königlichen Priesterschaft“ (1. Petrusbrief 2,9f.) und zum Volk Gottes

Ein glorifizierendes Priesterbild hatte noch im 20. Jahrhundert Bestand. Papst PiusX. (1903-1914) sagte: „Zwischen einem Priester und einem gewöhnlichen Menschen ist ein Unterschied wie zwischen Himmel und Erde. Pius der XI. forderte, der Priester müsse „so rein sein, als ob er mitten unter die himmlischen Mächte versetzt wäre.“

Der derzeitige Papst Franziskus bezeichnet sich selbst als „normalen Menschen“. Dieses Selbstverständnis zeigt sich in seinen Worten, seinen Gesten und seinem Handeln. Er weist weit von sich, ein Star zu sein.  

 HeutigesPriesterbild

 Priesterbild und -beruf haben sich in den letzten 50 Jahren verändert wie noch nie in der langen Kirchengeschichte.

 Das 2. Vatikanische Konzil wertete die Laien auf. Dies führte u. a. dazu, dass Priester ohne „Heiligenschein“ ihren Dienst inmitten ihrer Gemeinde erfüllen konnten. Priester und Bischöfe bekennen sich inzwischen zu ihrer menschlichen Fehlbarkeit.

Priester, die sich mit Macht, Reichtum und Prunk zieren wollen, passen nicht mehr ins zeitgemäße Bild christlichen Lebens. Die Gläubigen akzeptieren es nicht mehr, wenn sich die Geistlichen als „bessere“ Menschen verstehen. Sie erwarten nicht sexuellen und ehelichen Verzicht, sondern ethisches und vorbildliches Verhalten.

Der Priester von heute muss sich in seinem Dienst für die Menschen auszeichnen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Charismen aller Gemeindemitglieder der Kirche zur Entfaltung kommen können. Es ist traurig, dass der Kirche Interessenten für den Priesterberuf nur deswegen verloren gehen, weil sie nicht auf die Ehe verzichten wollen. Gott verlangt keine Opfer, sondern Liebe und Barmherzigkeit.

Zum Nachdenken regt folgende Ansicht von Herbert Haag auf der Rückseiteseines Bucheinbandes an:

„Die Krise des römisch - katholischen Priesterstandes ist offenkundig. Priestermangel, Gemeinden ohne Eucharistie, Zölibat, Frauenordination bezeichnen die Probleme, die zwar nicht allein, aber doch weitgehend die gegenwärtige Not der katholischen Kirche bestimmen. Die Krise der Kirche wird so lange andauern, wie sich diese nicht entschließt, sich eine neue Verfassung zu geben.“

 Priestermangel

 Die Kirche muss sich verändern. Sie braucht mehr Priester und eine andere Struktur. Der Mangel an Pfarrern führt dazu, dass die Kirche immer weniger Menschen erreicht und dass das „Recht der Gemeinden auf die sonntägliche Eucharistiefeier“ nicht mehr erfüllt werden kann.

Die Verantwortlichen unserer Kirche werden daran gemessen werden, was sie für den Aufbau des „Leibes Christi“ (der Kirche) getan haben und wie sie die Worte des Matthäus-Evangeliums umgesetzt haben.

Priester inNot

 Der Zölibat stiftet Unheil. Viele Geistliche haben ihre liebe Not mit dem Gebot der Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit. Sie leiden unter dem Zölibat, weil sie in irgendeiner Lebensphase ihre Zölibats-Entscheidung nur schwer oder gar nicht durchhalten können.

Kurz gesagt

 

  • ·        Die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise. Der Zölibat gefährdet die Zukunftsfähigkeit der Kirche.
  • ·        Die Kirche braucht dringend tiefgreifende Reformen.
  • ·        Für die Kirche ist es höchste Zeit, sich auf ihr ursprüngliches Wesen zurückzubesinnen.
  • ·        Der Zölibat ist für die Kirche zum Existenzproblem geworden. Der Priestermangel schreit zum Himmel.
  • ·        Wegen des Zölibats gehen der Kirche wunderbare Priester und Berufsinteressenten verloren.
  • ·        Priester und Laien - weiblich und männlich, verheiratet und ehelos - sind gleichermaßen zum Dienst in der Kirche berufen.
  • ·        Die Zusammenlegung von Pfarreien ist nur eine Notlösung.
  • ·        Die Aufhebung des Zölibats könnte die größte pastorale Not lindern.