Teil 3 des Buches

Kapitel: Zölibat und Zölibatsgesetz

Der Zölibat ist im Kirchenrecht derrömisch-katholischen Kirche, dem Codex Iuris Canonici (CIC; Kodex deskanonischen Rechts; Kirchliches Gesetzbuch) von 1983 (davor 1917),vorgeschrieben.

 „Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; deshalb sind sie zum Zölibat verpflichtet, der einebesondere Gabe Gottes ist, durch welche die geistlichen Amtsträger leichter mit ungeteiltem Herzen Christus anhangen und sich freier dem Dienst an Gott und denMenschen widmen können“ (CIC 277 § 1).

 Geschichte des Zölibats

  •  Rechtliche Regelungen auf Synoden (Versammlungen im 4. Jh.): Kein Geschlechtsverkehr der Kleriker mit ihren Ehefrauen
  •  Römische Synode (386 n. Chr): Forderung sexueller Enthaltsamkeit
  •  Zweites Afrikanisches Konzil von Karthago (390 n. Chr.): Forderung derEnthaltsamkeit nach der Wei
  •  Bestimmungen des Zweiten Laterankonzils(1139): Heilige Weihen als trennendes Ehehindernis
  • Konzil von Trient (1545 -1563): Ehelosigkeit für den gesamten Klerus

 Motive für den Zölibat

  • Asketisches und kultisches Motiv
  •  Gesellschaftliches, wirtschaftliches und machtpolitisches Motiv
  •  Theologische, christologische und kirchliche Motive

 Zölibat – oft nichteingehalten

 Das Zölibatsgesetz wurde seit seinem Bestehen oft gebrochen. Selbst Päpste und Kardinäle hielten sich nicht an dasvon ihnen selbst geschaffene Gesetz.

 Verheiratete Priester - sexuelle Beziehungen von Klerikern

 20 % der Pfarrer in Deutschland sollen aufgrund von Beziehungen und Heirat vom Dienst suspendiert worden sein.

Ein Spiegel-Artikelaus dem Jahr 2002 berichtet, dass „rund 9.000 der insgesamt fast 17.000 deutschen katholischen Geistlichen sexuelle Beziehungen unterhalten“ und „jeder dritte ein Kind gezeugt habe“ (3.000 Priesterkinder nach Schätzung einer Betroffenen-Initiative).

Eine Befragung von 1.500 nordamerikanischen Priestern hat ergeben, dass 10% der Priester den Zölibat gefestigt oder vollkommen und 40% annähernd einhalten und leben können. 28% der Priester haben sexuelle Beziehungen zu Frauen. 10% der Priester zeigen homosexuelles Verhalten, 5% problematische Masturbation und 1% transvestites Verhalten.

Die amerikanische Bischofskonferenz hat 1991 alle 35.000 Priester zur Sexualität befragt. Von den 15.000 Antwortenden gaben 67% an, sexuelle Beziehungen zu haben.

Man kann sich leicht vorstellen, wie schrecklich Versteckspiel und Doppelmoral für die Betroffenen sind.

 Zölibat heute

 Der Zölibat ist heftig umstritten. Im Deutschen Grundgesetz ist klar formuliert, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und dass jeder Mensch das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat. In der Konvention zum Schutz der Menschenrechte (7. August 1952) heißt es, dass Männer und Frauen das Recht haben, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.

Es gibt viele triftige Gründe für dieAufhebung des Zölibatsgesetzes und für die freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform. Wenn das Charisma der Ehelosigkeit nicht an das Gesetz des Zölibats gekettet wäre, könnte sich der zölibatäre Dienst wahr und glaubwürdig entfalten. Ich bin zudem davon überzeugt, dass die Zahl der Priester größer und die pastorale Not kleiner werden würde.

 Im Jahr 2013 waren es 84% der deutschen Katholiken (88% der Gesamtbevölkerung), die sich laut Umfrage „Forschungsgruppe Wahlen“ dafür aussprachen, Priester heiraten zu lassen. Die strengen Auflagender katholischen Kirche zum Zölibat fanden bei einer repräsentativen Mehrheitunter den Gläubigen keine Zustimmung.

In einer Befragung von 14 000 Mitgliedern des Kapuzinerordens im Jahr 1974 erklärten 3 300 der Befragten, die „fehlende affektive Bindung an eine Frau" verhindere „die ganzheitliche persönlicheReife".

 Hoffnungsträger PapstFranziskus

Seit dem 1. März 2013 ist Papst Franziskusein Hoffnungsträger der Kirche. Viele Katholiken erwarten von ihm einen „katholischen Frühling". Aussagen und Gesten des Pontifex (Brückenbauers) nähren diese Hoffnung.

Vor 50 Jahren (1965) ging das ZweiteVatikanische Konzil als Reformkonzil zu Ende.

Am 6. Juli 2014 kündigte dasKirchenoberhaupt an, dass es für die Zölibatsfrage Lösungen gebe. „Und ichwerde sie finden", sagt Papst Franziskus der italienischen Tageszeitung „La Repubblica".

 Kurz gesagt

 

  • ·        Die überwältigende Mehrheit von 84% der deutschen Katholiken ist gegen den Zölibat.
  • ·        Umfragen belegen, dass eine Mehrheit der Priester nicht mehr hinter dem Zölibatsgesetz steht.
  • ·        Der Zölibat verpflichtet Priester seit fast 900 Jahren zum ehelosen und sexuell enthaltsamen Leben.
  • ·        Das Zölibatsgesetz hat eine lange und schwer durchschaubare Geschichte.
  • ·        Es existierte anfangs (seit dem 4. Jh.) als Enthaltsamkeitsgesetz.
  • ·        Erst im Jahr 1139 (Zweites Laterankonzil) entstand offiziell und kirchenrechtlich das Zölibatsgesetz.
  • ·        Das Hauptmotiv des Zölibats war „kultische Reinheit“.
  • ·        Der biblisch und dogmatisch nicht notwendige Zölibat wurde nie eingehalten. 
  • ·        Der Zölibat ist zur Existenzbedrohung für die Kirche geworden.